Netze Solingen: Smart City beginnt mit intelligenten Gleichrichterstationen
Horstmann liefert Kurz- und Erdschlussanzeiger für einen dieselfreien ÖPNV. Solingen verfügt über das größte O-Busnetz Deutschlands. Die Versorgung der Busse erfolgt über 23 Gleichrichterstationen. Viele der Stationen sind deutlich in die Jahre gekommen und unterstützen bisher keine vernetzten Diagnose- und Warnfunktionen. Im Rahmen eines EU-Förderprojektes hat der Netzbetreiber Netze Solingen gemeinsam mit Horstmann begonnen, die Gleichrichterstationen mit den bewährten Kurz- und Erdschluss-Richtungsanzeigern ComPass B 2.0 auszustatten und zu digitalisieren.
Solingen setzt auf Batterie-Oberleitungsbusse (BOB)
Bisher können O-Busse in Solingen nur unter der Oberleitung fahren. Um den öffentlichen Nahverkehr emissionsfrei zu gestalten, werden nun batteriebetriebene O-Busse beschafft, um Dieselbusse zu ersetzen. Diese Umstellung wird von einem auf sechs Jahre angelegten bundesweit einzigartigen Leuchtturmprojekt begleitet. Ein wichtiger Bestandteil des Projektes ist, Teile des Mittelspannungsnetzes intelligent und darüber das Energiemanagement des Oberleitungsnetzes transparent zu machen. Im Projekt arbeiten zahlreiche Akteure eng zusammen. Dazu gehören die Stadt Solingen, die Stadtwerke Solingen, der Verkehrsbetrieb der Stadtwerke als Betreiber des Oberleitungsnetzes sowie die Netze Solingen. Die Forschungsarbeit wird von der Bergischen Universität Wuppertal an drei Lehrstühlen durchgeführt.
Batterien ersetzen Dieselaggregate
Die neuen, batteriebetriebenen O-Busse verfügen über vier im Heck verbaute Batterien mit einer Batteriekapazität von 60 kWh. Diese treiben die Busse auf zwei Achsen mit jeweils bis zu 160 kW und einer Reichweite von bis zu 20 km rein elektrisch an. Der Einsatz der Batterien sichert die Flexibilität der O-Busse bei Fahrten abseits des Oberleitungsnetzes, wofür bisher ein Dieselbus genutzt wurde. Der Strom aus der Oberleitung wird bei den Bussen nicht nur für den aktuellen Fahrbetrieb genutzt, sondern auch zum „In-motion-Charging“, dem Aufladen der Batterie während der Fahrt. Darüber hinaus wird die Batterie auch durch rekuperierte Bremsenergie gespeist.
Retrofit macht O-Busnetz intelligent
Das Oberleitungsnetz wird von den Netzen Solingen über die Mittelspannung versorgt. In den Gleichrichterstationen der Stadtwerke Solingen wird die Spannung in die für O-Busse erforderliche Gleichspannung umgewandelt. Da das Oberleitungsnetz bisher über keinerlei Intelligenz und Vernetzung verfügt, gibt es nur sehr wenig Informationen über seinen aktuellen Zustand und Ansätze für ein effizientes Energiemanagement. Ein besonderes Problem sind dabei Störungen im Oberleitungsnetz oder in den Stationen. Da in der Leitstelle keine zentrale O-Bus-Streckenüberwachung möglich ist, muss ein Entstörungsteam ausrücken, um die Ursache zu finden. Das kostet Zeit und Geld. Der Teilprojektleiter der Netze Solingen, Christian von Kalben, erklärt dazu: „Für uns war es wichtig, mehr Transparenz zu schaffen und in Echtzeit zu verstehen, was wo und wie im Oberleitungsnetz passiert. Deshalb haben wir uns für einen Partner entschieden, der uns mit seiner Mittelspannungserfahrung kompetent unterstützen kann.“
Neue Sensorik für alte Umspannwerke
Seit vielen Jahren arbeiten die Netze Solingen mit dem Spezialisten für Mittelspannungstechnik Horstmann zusammen. Deshalb war es naheliegend, diesen mit dem Projekt zu beauftragen. Eine erste Analyse und Bestandsaufnahme in den Stationen ergab, dass die erprobten Kurzschluss- und Erdschlussrichtungsanzeiger ComPass B 2.0 alle gestellten Anforderungen erfüllen. Gleichzeitig zeigte sich aber auch, dass die Gleichrichterstationen hinsichtlich ihres Aufbaus, ihres technischen Zustandes und ihrer jeweiligen Anschlusssituation sehr unterschiedlich waren. In vielen der Stationen war keine kapazitive Schnittstelle vorhanden, um das Spannungssignal abzugreifen. In einigen Fällen handelt es sich um offene Anlagen. Die Kabel waren teilweise als Massekabel ausgeführt. Damit war klar, dass es keine Standardlösung für den Anschluss aller Stationen geben kann, sondern für jede Station eine passende Anschlussstrategie entwickelt werden musste.
Technische Voraussetzungen schaffen
Der ausgewählte Fehlerrichtungsanzeiger ComPass B 2.0 benötigt zwei Signale zur Überwachung des Leitungsnetzes und zur Beurteilung seines Zustands: den Strom und die Spannung. Der Strom wird über Stromsensoren gemessen, die um jede Phase gelegt werden. Die Spannung wird über einen kapazitiven Abgriff erfasst, der in neuen Anlagen und Schaltfeldern standardmäßig vorhanden ist. In alten Anlagen muss dafür oftmals zunächst die Grundlage geschaffen werden. Dafür war, je nach Gegebenheit in der Station, ein kapazitiver Stützer C1I1 Sensor oder ein einfach zu montierender C1A2 Sensor erforderlich. Letzterer hat sich insbesondere dann bewährt, wenn die Platzverhältnisse bei der Montage beengt waren. Beide Sensoren liefern pro Phase ein Spannungssignal, das an die ComPass B 2.0 übermittelt wird. Der kapazitive Spannungssensor ist an das Spannungsprüfsystem Wega 1.2 C angeschlossen und zeigt auf einen Blick, ob Spannung auf den drei Phasen vorhanden ist oder nicht. Damit trägt er, ohne dass eine weitere Prüfung erforderlich ist, zur Arbeitssicherheit bei und leitet die Signale an den ComPass B 2.0 weiter.
Kurz- und Erdschlussrichtungsanzeiger ComPass B 2.0
Der ComPass B 2.0 mit Monitoring und optionalen Steuerfunktionen ist speziell für das Mittelspannungsnetz entwickelt. Er liefert hochgenaue Messdaten für Strom, Spannung und Leistung und stellt diese für die Übertragung zur Leitwarte bereit. Alle Messwerte können mit Grenzwerten versehen werden, deren Über- oder Unterschreitung einen Alarm in der Leitwarte auslöst. Darüber hinaus ist es optional möglich, mit dem ComPass B 2.0 die Transformator- und Stationstemperatur zu überwachen. Dank des integrierten, kontraststarken OLED Displays können alle Daten inklusive der Richtung eines Fehlers auch direkt am Gerät abgelesen werden. Er ist robust ausgeführt und im Temperaturbereich von -30 bis +70 °C einsetzbar.
Störungen schneller detektieren
Nach Anschluss und Inbetriebnahme überwacht der ComPass B 2.0 den Bereich des Oberleitungsnetzes und registriert Kurz- und Erdschlüsse auf der Mittelspannungs-Strecke. Wenn diese eine Folge von Baggerarbeiten sind, können sie meist leicht gefunden werden. Angesichts der teilweise bis zu 50 Jahre alten Kabel können Kurz- und Erdschlüsse aber auch Folgen alterungsbedingter oder durch mechanische Belastungen hervorgerufener Materialermüdungen sein. Gerade in diesen Fällen helfen die Informationen des Kurz- und Erdschlussanzeigers enorm weiter. Denn der ComPass B 2.0 kann die gesammelten Informationen an die Leitwarte übermitteln und angeben, in welchem Streckenabschnitt und in welcher Richtung eine Störung vorliegt. Die Entstörungsteams können Fehler so effizienter lokalisieren und Schäden schneller beheben. Dank der neuen Intelligenz ist es überdies auch möglich, das Oberleitungsnetz viel besser zu überwachen und alle Informationen in Echtzeit auszuwerten.
Mehr Übersicht im O-Busnetz
Die Umstellung von einigen Pilotstationen hat sich bereits bewährt. Statt einer Black Box liegen bereits jetzt deutlich konkretere Informationen über den jeweils aktuellen Auslastungszustand des Netzes vor. Das erleichtert die Planung und steigert die Netzeffizienz erheblich. Die Informationen über Lastspitzen, schwankende Energieangebote und die Kennlinien zu Strom- und Spannungsverlauf helfen, die Netzstabilität zu erhöhen und die Effizienz zu steigern. Teilprojektleiter von Kalben blickt bereits weiter in die Zukunft: „Unsere Zielvorstellung ist es, nicht nur den Bereich des Oberleitungsnetzes intelligenter zu machen, sondern weite Teile des Mittelspannungsnetzes zu überwachen. Damit können wir einen wichtigen Beitrag zur Effizienzsteigerung leisten und beispielsweise die Integration von Photovoltaikstrom oder den Anschluss von Ladesäulen für Elektrofahrzeuge besser koordinieren und unterstützen.“